Der Wintergarten und das Leben
von Gartenphilosophin (Kommentare: 0)
Was macht ein Garten im Winter? Ruht er? Ruht er nicht? Panta rhei, alles fließt!

Winterzeit ist Ruhezeit. Wir Menschen ziehen uns nach Möglichkeit zurückund gehen gerade einmal nach draußen, um frische Luft zu schnappen. Für GärtnerInnen ist der Winter die Zeit der Planung. Die Natur hat sich im Herbst zurückgezogen und überwintert in dieser Ruhephase, bevor sie im Frühling wieder austreibt und alles mit überbordender Fülle belebt.
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Soweit die Theorie, einerseits stimmt sie, andererseits auch wieder nicht. Im Garten kommt mir diese Idee, dass wir da u.U. einem Fehlurteil aufgesessen sind. Ein Garten, die Natur, ruht doch nur in Teilen! So, wie sich einige Pflanzen in die Winterruhe begeben haben, haben nun andere Pflanzen die Möglichkeit, mit ihrer Schönheit den Winter zu beleben. Es ist doch unglaublich, dass es Frühblüher schaffen, unbeirrt gegen Wind und Kälte anzublühen. Die ersten Winterlinge zeigen sich, die Krokusse ebenfalls, die Tulpen stehen in den Startlöchern. Klar, die sind auch für später erst vorgesehen.

Frühblüher im Garten
Dieses Jahr blüht die Kornelkirsche, Cornus mas, als erster Busch, die weiße Forsythie, Abeliophyllum distichum, ebenfalls. Auch der Winterduftschneeball zeigt ein paar wenige Blüten. Die Weiden, Salix spec., treiben ebenfalls schon ihre Kätzchen aus. Einzig die Hamamelis, die ja als gelber Garant für den Wintergarten gilt, schweigt. Im letzten Jahr hatte sie ihren großen rettenden Spätwinterauftritt. Als es so warm war, das sehr viele Insekten schon flogen, hat sie ihnen einen reichen Tisch gedeckt. Dieses Jahr pflegt sie noch ihren Schönheitsschlaf, er sei ihr gegönnt.
Trotz der Stürme der letzten zwei Wochen zeigen sich in den ersten Sonnenstrahlen schon die ersten Schwebfliegen und Fliegen. Sie finden erste Nahrung in den oben genannten Büschen.

Alles ist im Werden!
Während ich so durch den Garten gehe und schaue, wo er gerade zu Höchstform aufläuft, bleibe ich bei der Winterheide, Calluna spec. stehen und betrachte sie. Da kommt mir in den Sinn, dass wir es nicht mit einem ruhenden Garten zu tun haben. Da ist ein falsches Bild in unserem Kopf! Im Garten, in der Natur, in allem Leben und dynamischen Strukturen steckt Bewegung und ein Fließen von Energie!
Der Garten befindet sich in einem ständigen Fluß von Veränderungen. Während der eine Teil in die Ruhe geht, ist ein anderer am Wachsen und Sprießen. Im Werden, in der Entwicklung, nennt es, wie Ihr wollt!

Es gibt kaum einen abrupten Wechsel, Weder im Wechsel der Jahreszeit noch im Wechsel der Blühpflanzen. So in meinem inneren Bild webt sich das Leben wie ein Band und in Wellen durch den Garten (wenn wir ihn als Beispiel für meine Gedanken heranziehen wollen). Die Fülle der Lebendigkeit ist im Moment bei den Frühblühern, die den ersten Insekten Nahrung und Energie spenden. Das Leben wogt weiter, mit steigenden Temperaturen entwickeln andere Pflanzen ihre Schönheit und Nutzen für ihre Umgebung.

Aus dem Wintergarten wird ein Frühlingsgarten
Im Frühling erscheint es uns so abrupt, weil plötzlich so viele Pflanzen auf einmal blühen und sprießen. Das ist aber nicht abrupt entstanden, es ist nur mehr Dynamik im Werden und Wachsen bei mehreren Pflanzen. Das heißt, auch der ruhig erscheinende Wintergarten ist lebendig und am Wachsen. Alles mit mehr Ruhe, und für uns eine Zeit nicht zu erkennen.

Wenn es regnet, womöglich schneit, wenn es dunkel ist und keine Sonne zu erkennen, ist es trotzdem im Boden schon so weit, dass die ersten Pflanzen an das Licht drängen, dass die ersten Knospen sich entwickeln und schon früh öffnen. Im Boden an alten Ästen, an vielen uns unbekannten Orten, haben sich auch die Puppen und Kokons der neuen Generation an Insekten entwickelt. Auch sie "wurden" über ihre Ruhezeit, bevor sie als Imago schlüpfen oder erwachen und unser Umfeld mit ihrem Leben bereichern!

In meinem Garten gibt es fast keine blütenfreie Zeit. Sicher, nicht die großen imposanten Pflanzen blühen, es sind die unscheinbaren, kleinen, wilden. Das Hirtentäschel blüht, Taubnessel, erste Gänseblümchen. Die haben mich schon im Dezember dazu gebracht, vorsichtig über den Rasen zu gehen. In diesen unsicheren Wintertagen ohne Frost könnte es ja geschehen, dass wir warme Tage bekommen und Insekten fliegen. Da will ich keine Nahrungsquelle zertreten. Außerdem bringen sie Farbe in das Grau eines schneelos verregneten Wintertages.

Wogende Lebendigkeit eines Gartens
Wenn das Leben durch den Garten wogt, dann können wir uns sehr leicht mit wiegen lassen. Wir nehmen teil an dem Werden und Vergehen indem wir es zulassen, dass auch Kraut stehen bleiben kann.
Kein Rasen muss klinisch rein nur Rasen sein!
Eine Wiese ist viel lebendiger, sie hat zu allen Jahreszeiten etwas zu bieten!

Kein Beet muss voll abgeräumt durch den Winter gehen.
Alte Staudenstängel, umgelegtes Grün, etc. schützen den Boden und bieten überwinternden Insekten Schutz. So finden auch die anderen Gartenbewohner Nahrung.
Bei mir kann ich im Moment den Zaunkönig dabei beobachten, wie er sich am Boden in dem Beetdschungel mit kleinen Wintermücken und allerlei anderen Insekten versorgen kann. Eine Nahrungsquelle, die keine noch so tolle Winterfutterstelle bieten kann.

Ein nicht abgeräumtes Beet ruht über den Winter. Insekten dienen den Vögeln, die daraus die Kraft ziehen, den Nestbau und dann die Anstrengung der Aufzucht des Nachwuchses zu bewältigen. So wogt das Leben dann in allen "Etagen" der Gartenbewohner weiter. Alles Leben ist dem Panta rhei zugeordnet, Stagnation wäre der Tod. Für mich genieße ich die Erkenntnis, denn in meinemLeben habe ich auch das Gefühl, so manches mal auf der Stelle zu treten. Der Garten lehrt mich aberetwas anderes: Alles fließt und entwickelt sich. Nicht immer voller Tatendrang, manchmal im Geheimen, Verborgenen; aber immer entwickelt sich etwas. Wenn wir an dem Prozess des Werdens teilnehmen, dann kann auch unser momentanes Leben sich zu Lebendigkeit hin entwickeln. Manchmal ist es auch gut, sich dem ruhigen Teil des Lebens hinzugeben, um ein Werden zulassen zu können. Komplitierte Gedankengänge? Ja, irgendwie schon,irgendwie auch nicht...
Pantha Rei, alles fließt. Fließen wir mit und genießen den Fluß des Lebens. Mal in kleinen Wellen, dann in großen Flutwellen, bevor die Wellen wieder ruhiger werden.
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