Rasen oder Wiese? Gartenphilosophische Betrachtungen!

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Wiesen für die Vielfalt

Eine wilde Wiese gegen das Insektensterben
Wiesen sind bunt!

Kennt Ihr das auch?
Viele Gärten sehen so schön grün aus, eine glatte Rasenfläche, lacht Euch entgegen und lädt zum Betreten ein. Grüne Fläche von hier bis zu den Rabatten still und leise und ruhig liegt sie da. Ohne Bewegung. Ist die Fläche klein, dann kann das Ruhe ausstrahlen. Je größer sie ist, umso mehr Ödnis bietet sie dem Auge. Grüne Öde.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Es sieht ungewohnt aus, aber auch lebendig!

In mehreren Beiträgen, hier und hier, habe ich mir Gedanken über Wiesen und (Un-)Kräuter gemacht. Vor Jahren hatte ich beschlossen, meinen Rasen zu einer Wiese umzufunktionieren.
Diese Flächen sind ca. dreigeteilt und werden unterschiedlich behandelt.
Keine der Wiesenteile wird gedüngt, den hinteren Teil auf der Streuobstwiese fressen die Pferde zweimal im Jahr alles weg und im vorderen Bereich am Wagen wird sehr selten gemäht, das Mahdgut weggebracht. Einzig ein Bereich, der von uns häufig begangen wird, wird ab und zu gemäht. Aber auch hier stellt sich über die Jahre eine Wiesengesellschaft ein.

Das erzeugt einen Anblick, der nicht mit den Sehgewohnheiten von regelmässig getrimmten Rasenflächen zu vereinbaren ist. Deshalb habe ich auch keinen Rasen, der keinem weiteren Kräutlein Platz bietet, sondern eine Wiese, in der sich nach und nach von selber ein Gleichgewicht zwischen Gräsern, Blumen und Kräutern einstellt.


Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Das Ackerstiefmütterchen hat sich selber angesiedelt

Ab und zu habe ich versucht, etwas einzusäen, so von dem, was ich irgendwo in den Beeten finden konnte und was als Beikraut in die Wiese gepasst hätte. Da ist allerdings nie etwas von aufgegangen.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Das letzte Jahr überlebt!

Einen Teil der Wiese habe ich im letzten Jahr von der Grasnabe befreit, um dort eine Wildblumenwiese anzusäen. Im letzten Jahr eine Trockenheits-Trauerspiel, dieses Jahr zeigt sich das ein oder andere Pflänzlein, das aufgeht und NICHT Kleiner Sauerampfer heisst.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Es wird immer bunter in der Wiese

Seit nun acht Jahren betreibe ich dieses Spiel. In diesem Jahr bereitet mir die Wiese das erste Mal ein Blütenfest vom Feinsten. Alles selbst angesiedelt und wenig beeinflusst von mir.

Wie wird aus Rasen eine Wiese?

Es ist das Einstellen vieler arbeitsintensiver Teilschritte, um langsam aber sicher, zu einer wilden Wiese zu kommen.


Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Buntes Treiben entwickelt sich, wenn man es zulässt

Schritt 1: Mach die Auge auf!



Jeder Rasen, der nicht wie ein englischer Rasen aussieht, ist auf dem Weg, eine Wiese zu werden. Dafür müssen wir unsere Sehgewohnheit ändern.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Es entstehen viele Bilder ganz dicht beieinand!

Nicht der Fassonschnitt ist schön, sondern die unterschiedliche Anmutung, Farbpracht und Höhen, machen eine Wiese lebendig. Dafür müssen wir GärtnerInnen nur den Blickwinkel etwas ändern. Natürlich kann man einen festen Bereich kurz halten, weil dort Kinder spielen, oder wir sicher Barfuss gehen wollen. Die Balance zwischen gemäht und ungemäht bleibt zumindest in meinem Garten zum Wohle seiner Natur mehr in ungemähten Bereichen, halt mehr zu Wiese und nur etwas zu Rasen!

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Das Ackerstiefmütterchen braucht keinen Dünger!


Schritt 2: Stell das Düngen ein!


Ein Rasen muss viel Aufmerksamkeit bekommen, um dicht und makellos zu bleiben. Zum Ausgleich muss die ganze Fläche fast wöchentlich gemäht werden, denn es entsteht viel Wachstum und somit Biomasse, die auf den Kompost muss, oder als Mulch auf der Fläche verbleibt und langsam aber sicher den Rasen verfilzt.

Na gut, dann kommt der Vertikutierer noch hinzu, im Frühjahr, der macht Moos und Filz auch weg. Ab irgendwann kommt der Wunsch nach Vlies und Stein auf… Fast schon zu verstehen...

Aurorafalter bei der Kopula, Paarung
Sie kommen in den Garten, wenn man ihn sein lässt

Schritt 3: Legt Euch auf die faule Haut


Legt Euch auf die sich entwickelnde Wiese und beobachtet, welche Pflanzen sich nach und nach einstellen!


In meinem Garten ist kein Jahr wie das andere. Zuallererst hatte ich eine Invasion an Habichtkräutern, die irgendwann mit einem Schlag wag waren. Dann hat sich der Kleine Sauerampfer zurückgezogen und seine Bestände verkleinert. Nun ist viel Taubnessel, Viola, Ruprechtskraut, Tüpfeljohanniskraut, Wilde Möhre, Malven, usw. vorhanden; alle kann ich gar nicht aufzählen, vieles fehlt auch noch in der Wiese.


Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Gänsefingerkraut besiedelt Lücken, ohne sie zu schliessen

Schritt 4. Mut zur Lücke!


Ja, aus dem Rasen wird Wiese und die ist lückig. Nicht leider, sondern super! Viele Insekten sind auf offene Böden angewiesen. Sie bauen dort ihre Gänge für den Nachwuchs.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Auch das Veilchen läuft gerne in Lücken auf!

Das schadet niemandem und erhöht die Vielfalt im Garten. Viele Heuschreckenarten sind ebenfalls auf offene Böden angewiesen, denn die strahlen am Abend die Wärme des Tages ab.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Auch der Ehrenpreis mag es gerne locker bewachsen

Hummeln z.B. besiedeln alte Mäuselöcher, die häufig in den offenen Böden zu finden sind. Sie sind so kampfstark, das sie eventuell ebenfalls an dem Loch interessierte Mäuse vertreiben können. Offene Böden ermöglichen weiteren wilden Pflanzen, diese zu besiedeln, sie ermöglichen weitere Pflanzenvielfalt.


Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Blühendes Gras kann sich später aussamen oder dient Vögeln zur Nahrung

Offene Böden zeigen an, das die ausgesäten Rasengräser sich langsam zurückziehen. Diese haben einen Wurzelfilz gebildet, der es Wildblumen nicht ermöglicht, sich anzusiedeln, sie kommen mit ihren Wurzeln schlicht nicht durch den Rasenwurzelfilz.


Die gleichen Grassamen, nur züchterisch unbearbeitet, bilden aber keinen dichten Filz aus, sondern beanspruchen wenig Fläche. Das ermöglicht ein weiteres Ansiedeln, der „Wildlinge“.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Selten gemäht

Schritt 5: Rasen wird gemäht, die Wiese darf stehen bleiben!

Ein Rasen muss regelmässig kurz gehalten werden. Heute haben wir technikbegeisterten CouchpotatogärtnerInnen gerne den Roboter, der uns diese schweisstreibende Arbeit abnimmt. Gerne auch in der Dämmerung. Da sehen wir dann nicht die Auffahrunfälle, wenn er dem Igel die Füße verletzt und weiteren Schaden anrichtet.


Mit Roboter sind wir die Sorgen los, aber erreichen nie und nimmer nie irgendeine Art der Vielfalt.
So viele Insekten sind aber auf pflanzliche Vielfalt angewiesen! Wenn also Euer Plan steht und Ihr wollt eine Wiese, dann stellt das Mähen ein.

Fumaria, der Erdrauch im Garten der Gartenphilosophin
Der Erdrauch ist ebenfalls ein Bewohner, wenn auch eher am Rande

Beachtet Schritt 1 und 3 ganz besonders.
 Das Ziel ist es, das der Garten vielleicht noch zweimal im Jahr gemäht wird, Ende April und im Oktober an einem trockenen Tag.
Das Mahdgut wird abgetragen; es landet entweder auf dem Komposter oder kann als Mulch auf Beete verteilt werden, um dort als sanfter Dünger zu wirken.

Verschiedene Gräser stellen sich ein, die zur Blüte kommen und sich aussamen können. Diese zu betrachten, kann sehr belebend sein, denn keine Grasart sieht wie die andere aus.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Gänseblümchen werden meist positiv gesehen, danach scheiden sich viele Geister

Schritt 6:
 Schaltet die Ohren ab
!

Einige Menschen werden Anstoss an der Fläche nehmen und sie als ungepflegt erklären. Da beginnt dann die Ansichtssache. Hier bei uns in der Nachbarschaft haben wir diese Diskussion nicht, ich weiss, das es in anderen Nachbarschaften aber sehr hin und her wogt.


Es ist Eure Entscheidung, niemand muss sie mittragen. Vielleicht sieht es bei Euch demnächst so lebendig aus, das ihr Nachbarn ansteckt, es Euch gleich zu tun. Es ist für alle ein Prozess, die eigenen Gewohnheiten zu durchbrechen. Häufig ist das schon mit dem Partner ein Problem. Bleibt im Gespräch und bei Eurem (Nichts-)Tun.


Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Die Malve hat von alleine das Beet verlassen und ist umgezogen

Was ich übergriffig finde, ist, dem Nachbarn irgendwelche Saaten über den Zaun zu werfen; das passiert, ist aber meines Erachtens respektlos. So wie der Nachbar Euren Garten ertragen muss, müsst Ihr den Nachbargarten ertragen. Jeder kann nur versuchen, den jeweiligen Nachbarn von seinem Konzept zu „überzeugen“, indem er in diesem Konzept gärtnert.

Gärtnern und gärtnern lassen, solange es nicht ungesetzlich ist.
 Reden Schwärmen und Kommunikation, das sind die drei goldenen Regeln des Gärtnergesprächs.

Wilde Wiesen gegen das Insektensterben
Mit Namen nennen, bringt Vertrauen und Gastfreundschaft

Schritt 7:
 Lerne die neuen Mitbewohner kennen!


Denn, nur das, was uns vertraut ist, sind wir bereit, bei uns Platz nehmen zu lassen. Jede neue Pflanze, jedes neue Tier, das Ihr beobachten könnt, erzählt Euch eine Geschichte! Deshalb, forscht nach.

Nicht alle werdet Ihr mit Namen benennen können, lernen und entdecken sind aber eine ausgesprochen spannende Sache. Und ja, ich gebe zu, das ist teuer, denn es werden Bücher bei Euch einziehen, und die kosten. Egal, Ihr spart ja an Dünger, Technik und Saaten.

Schritt 8: Fangt an!


Wenn nicht jetzt, in welchem Jahr denn dann?

Eine Wiese ist ganz einfach. Fangt an, und hört auf!

 

 

 

 


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